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Erscheinungstermin: 15.12.2015 – 160 Seiten – für nur 9,95 Euro!

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Leseprobe:

AUF DER COUCH

»Guten Tag. Tod mein Name. Der Tod.«
»Guten Tag, Herr Tod. Haben Sie einen Termin?«
Dr. Voss hatte die Tür seiner Psychiater-Praxis geöffnet, als es geklopft hatte. Für einen Patienten war es eigentlich noch zu früh.
»Nein, ich komme spontan zu Ihnen. Es dauert auch nicht lange.«
»Dann kommen Sie herein, sollte es doch länger dauern, müssten wir aber einen Termin vereinbaren.«
Der Tod trat ein, also erst einmal hinein in die Praxis. Er ging an Dr. Voss vorbei und in das kleine gemütliche Behandlungszimmer, auf das Dr. Voss gezeigt hatte.
»Bitte nehmen Sie auf der Couch Platz, Herr Tod. Machen Sie es sich bequem. Entspannen Sie sich.«
Der Tod schaute etwas überrascht, tat aber, was Dr. Voss von ihm verlangte. Er öffnete sein Jackett, setzte sich auf die Couch und lehnte sich zurück. Gespannt sah er den Doktor an, der sich auf einen Sessel direkt neben ihn gesetzt hatte. Auf seinem Schoß hatte er einen Block und einen Kugelschreiber platziert.
»Was führt Sie zu mir, Herr Tod?«
»Mein Job.«
»Ah, ja.«
Dr. Voss notierte etwas und schaute den Tod neugierig an.
»Dann erzählen Sie mal! Wie ist Ihre Arbeit?«
Der Tod überlegte kurz.
»Nun, so einfach lässt sich die Frage nicht beantworten. Es gibt Tage, da mache ich den Job gerne, allerdings gibt es auch Tage, da möchte ich morgens gar nicht aufstehen. Aber eigentlich bin ich ja wegen Ihnen gekommen, Dr. Voss.«
Der Doktor hatte sich soeben weitere Notizen gemacht, schaute jetzt aber hoch.
»Hier geht es aber nicht um mich, hier geht es um Ihre Probleme. Lassen Sie uns auch gleich weiter machen. Wie ist es mit Ihren Kollegen, wie ist da das Verhältnis?«
Zögernd lehnte der Tod sich wieder zurück und erzählte weiter.
»In meiner Abteilung arbeite ich alleine. Das ist sehr angenehm, ich kann mir meine Zeit selbst einteilen, das hat schon Vorteile. Allerdings bin ich auch oft einsam. Hin und wieder fehlt mir schon der soziale Kontakt. Da hilft auch kein Facebook. Wer erhält schon gerne eine Freundschaftsanfrage vom Tod?«
Wieder notierte sich Dr. Voss etwas auf seinem Notizblock.
»Haben Sie es mal mit einem Verein probiert? Gesangsverein, Skatklub oder Theatergruppe? Es gibt doch so viele Möglichkeiten, mit Menschen in Kontakt zu kommen.«
»Bei den Sportschützen hab ich es mal probiert. Die waren auch erst sehr nett, haben mich aber dann vom Hof gejagt. Ich hatte gerade meinen Namen auf das Anmeldeformular geschrieben, da war ich auch schon wieder draußen.«
Traurig schüttelte der Tod den Kopf.
»Es mangelt auch nicht an Kontakten. Ich treffe ja täglich unzählige Menschen, aber es ist eben immer nur für kurze Momente. Da kann sich kein freundschaftliches Verhältnis aufbauen.«
»Haben Sie denn gar keine Freunde, Herr Tod?«
»Ich habe keine Freunde, ich hab nur Bekannte. Ab und zu schau ich mal bei Luzifer vorbei, wir trinken dann ’n Bierchen zusammen und gucken Fußball. Dabei machen wir uns lustig über die Fans, die wegen der Meisterschaft anfangen zu beten. Dabei lachen wir uns schier tot, aber das ist es dann auch. Und ganz unter uns, Herr Doktor: Luzifer ist nicht so nett, wie alle denken. Der hat aber eigene Fanklubs. Stellen Sie sich das mal vor. Und mir will nicht mal einer bei Twitter folgen.«
Beleidigt verschränkte der Tod die Arme und starrte finster zu Dr. Voss rüber, der sich wieder Notizen machte.
»Profilneurose! Ganz klarer Fall von Profilneurose. Wie war denn Ihre Kindheit? Hatten Sie da Freunde?«
»Ach, Herr Doktor. Ich hatte es nicht so leicht in meiner Kindheit. Können Sie sich vorstellen, was los war, wenn es hieß: Der kleine Tod möchte aus dem Kinderparadies abgeholt werden … Furchtbar war das.«
Dr. Voss nickte mitfühlend.
»Ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwer für Sie gewesen sein muss. Wie ist es mit Ihrer Familie, haben Sie Geschwister?«
»Ich bin Einzelkind.«
Der Doktor schaute von seinem Notizblock auf.
»Oh, oh, oh, oh, oh, oh! Einzelkind. Schwierig, ganz schwierig. Meist verwöhnt, können nicht teilen und wollen immer recht haben.«
Der Tod war empört.
»Was erlauben Sie sich? Und was ist das überhaupt für eine unbequeme Couch, auf der ich hier sitzen muss? Glauben Sie ja nicht, dass ich für diese Sitzung bezahle, und überhaupt, ich bin nicht schwierig. So!«
»Nun beruhigen Sie sich wieder, Herr Tod. So habe ich es auch nicht gemeint. Lassen Sie uns zurück zu Ihrem eigentlichen Problem kommen. Ihre Arbeit. Wie kommen Sie mit Ihrem Vorgesetzten klar?«
Wieder etwas entspannter lehnte der Tod sich erneut zurück und grübelte über die Frage nach.
»Mit dem Allmächtigen habe ich nur wenig Kontakt. Ich bekomme meine Aufträge von oben, und arbeite sie dann der Reihe nach ab.«
»Könnten Sie sich denn vorstellen, Ihren Beruf an den Nagel zu hängen, Herr Tod?«
»Wenn ich es nicht mache, dann macht es eben der Horst. Aber wie hört sich das denn an? Die Tante Lisbeth ist horst. Oder: Weißt du schon, wer horst ist? Die Tante Lisbeth. Der König ist horst, lang lebe der König.«
Der Doktor blinzelte unschlüssig.
»Gibt es Fälle von Schizophrenie in Ihrer Familie?«
»Nicht, dass wir wüssten.«
Voller Erwartung sah der Tod Dr. Voss an und wartete auf eine Reaktion.
»Verstehen Sie? Nicht, dass WIR wüssten. WIR!«
Der Tod platzte fast vor Lachen, doch der Doktor lächelte nur müde und nickte verständnisvoll.
Da die Zeit nun abgelaufen war, klappte der Doktor seinen Notizblock zu und stand auf. Auch der Tod stand auf, und die beiden standen sich nun gegenüber.
»Ich stelle fest, dass Sie trotz Ihres Berufes Ihren Humor nicht verloren haben. Das ist sehr positiv. Sie scheinen mir durch und durch eine positive Einstellung zu haben. Bleiben Sie so, wie Sie sind, und Sie werden keine ernsthaften Probleme bekommen.«
Nun lächelte der Doktor den Tod freundlich an und der Tod erwiderte sein Lächeln, allerdings war es eher ein wehmütiges Lächeln.
»Ein großes Problem habe ich doch noch, Herr Doktor. Manchmal würde ich gerne mitentscheiden dürfen.«
Damit legte er Dr. Voss die Hand auf die Schulter, und der Tod trat ein.

(auch als PDF verfügbar)